Anna und die Wut

(...) Jedes Jahr kommen neue Bücher heraus, die sich um wütende kleine Kinder drehen. Die unaufgeregte Art, wie Nöstlinger Anna immer und immer wieder aus der Haut fahren lässt, möchte man trotzdem nicht missen. Auch in der Neuausgabe färben sich die Wangen des kleinen Mädchens wieder rot, auch hier stellen sich ihre Haare wieder zu Igelstacheln auf – aber ohne grelle Ausleuchtung. Dafür mit viel Augenzwinkern. Leicht irritiert blicken ihre Eltern nach oben, wenn Anna wortwörtlich an die Decke geht. Und die Katze versteckt sich hinter der Couch.

Man sieht Anna in ihrem tobenden Unglück, sieht, wie sie gegen Tischbeine tritt und auch – schließlich sind wir im Jahr 2025 – auf ihrem Handy herumwischt. Als es ihr weggenommen wird, bekommt sie natürlich einen Wutanfall. Die Geschichte von Christine Nöstlinger, wunderbar geeignet für Kinder ab vier Jahren, zeigt dann auch den Ausweg aus dem Dilemma: eine Trommel, mit der sie die Wut verjagen kann. Der Opa hatte die Idee, und weil er sie noch nie angeschwindelt hat, schlägt sie wild drauflos, immer dann, wenn etwas in ihr knallt. Bis ihre Haare keine knisternden Stacheln mehr sind, sondern Seidenfransen. Und bis sie damit auch andere begeistert.

„Die Presse", 18.10.2025